Wenn in Uniform Zivilcourage verlangt ist…

Regen. „Nein, diese Erfahrung wünscht man keinem“, sagt Oberstleutnant Jan Mirko Schmidt (43), Kommandeur des Panzergrenadierbataillons 112 in Regen. Er spricht von den Erfahrungen, wie sie Schmidts Kommandeurs-Kameraden in Bad Reichenhall oder Pfullendorf gemacht haben. In deren Bataillonen hat es Fälle von Mobbing unter den Soldaten, von Misshandlungen oder von ausufernden Aufnahmeritualen gegeben. Intensiv haben sich die Medien damit befasst.

Spricht man mit Jan Mirko Schmidt über die Vorkommnisse, kommt gleich der Satz, mit dem Bundeswehr-Verantwortliche fast schon instinktiv auf diese Fälle reagieren. Die Bundeswehr sei eben ein Spiegel der Gesellschaft, und alles, was es an Negativem in der Gesellschaft gebe, das passiere eben auch hinter den Kasernentoren. Ganz so leicht will Schmidt diese Mobbing- und Misshandlungs-Taten aber nicht abtun. Und deswegen werden die Vorkommnisse auch intern zum Thema gemacht.

Generalinspekteur Volker Wieker hat am Mittwoch den Verteidigungsausschuss des Bundestags über die innere Lage der Bundeswehr informiert. Als Ziel formulierte er eine neue Meldekultur und eine Datenbank zur Erfassung solcher Vorkommnisse.

Der Regener Bataillonskommandeur verweist darauf, dass es die Möglichkeit gibt, unangemessenes Verhalten zu melden, nennt die Vertrauenspersonen als Ansprechpartner, die es in den Kompanien gibt. Und er fordert auch den „Bürger in Uniform“. „Wenn ein Soldat mitbekommt, dass andere unangemessen behandelt werden, dann erwarten wir auch, dass er aktiv wird“, sagt er, „denn genauso, wie wir von den Bürgern fordern, dass sie nicht wegschauen sollen, fordern wir das auch von den Soldaten, die ja auch mündige Bürger sind“, so Schmidt: „Zivilcourage kann man auch in Uniform zeigen.“

In dem Bericht des Generalinspekteurs an den Ausschuss werden explizit die Infanterie-Verbände, zu denen die Panzergrenadiere gehören, genannt, in denen es schwerpunktmäßig zu Verstößen gegen die Prinzipien der Inneren Führung kommt. Zu diesen Verstößen gehörten auch etwas außergewöhnliche Aufnahmerituale in Einheiten, wie das Essen roher Leber oder das Kampftrinken mit Atemschutzmaske.

Von Erzählungen kennt der Regener Bataillonskommandeur diese Dinge, „aber ich bin bis jetzt überall auch ohne diese Rituale aufgenommen worden“, sagt er, hält diese Praktiken auch für „falsch verstandene Kameradschaft“. Kameradschaft ist für ihn die besondere Zusammenarbeit und die besondere Verantwortung der Soldatinnen und Soldaten füreinander, „in dem Bezug ist der Soldatenberuf schon etwas Besonderes“, wie er sagt.

Dass diese zum Teil ekelhaften Rituale an die Öffentlichkeit gelangt sind, das ist für den Regener Kommandeur durchaus auch ein Beleg dafür, dass das Melde- und Beschwerdewesen in der Bundeswehr funktioniert. Verbunden damit ist natürlich auch immer ein großes Medienecho.

Die Möglichkeit, sich als Soldat an den Wehrbeauftragten zu wenden, wenn man Dinge nicht vor Ort und mit den unmittelbaren Vorgesetzten klären kann, das findet er eine gute Einrichtung. Die auch ihm Arbeit macht – denn es kommt auch am Standort Regen vor, dass sich der Wehrbeauftragte meldet und um eine Stellungnahme bittet, weil sich ein Soldat beschwert hat, wie Jan Mirko Schmidt berichtet. Wobei der Grat oft schmal ist, auf dem sich die Ausbilder und Vorgesetzten bewegen. Was der eine noch als „gesunde Härte“ empfindet, das ist für den anderen vielleicht schon „Schikane“. „Wir brauchen beides“, sagt Schmidt, „funktionierende Streitkräfte, in denen das Prinzip von ,Befehl und Gehorsam’ gilt, und Staatsbürger in Uniform.“

Er thematisiert die jüngsten Vorfälle in der Bundeswehr auch in den Dienstbesprechungen mit den Kompaniechefs und den Kompaniefeldwebeln, den „Spießen“, „die sind natürlich deutlich näher dran an den Soldaten“, wie er sagt, „und die müssen es auch mit den Zug- und Gruppenführern zum Thema machen.“ Mit dem Wegfall der Wehrpflicht hat sich auch die Rolle des „einfachen Soldaten“ verändert. „Er ist selbstständiger“, sagt Schmidt, „es ist nicht immer ein Vorgesetzter im Kompaniegebäude, so wie es vor 20 oder 30 Jahren noch war.“ Darauf geht auch der Generalinspekteur in seinem Bericht ein und formuliert als Ziel: „Die Verbesserung der Dienstaufsicht (in und außer Dienst) durch Vorgesetzte, insbesondere auf Einheitsebene ist erforderlich.“ Wichtig dafür sei auch, wie die Rahmenbedingungen aussehen. Und da geht es eher in die andere Richtung. Nach der Sanierung der Kompaniegebäude am Regener Standort werden die Unterkunfts- von den Funktionsgebäuden getrennt, wie Oberstleutnant Schmidt erklärt, „und dann wird es auch den Unteroffizier vom Dienst, der 24 Stunden im Kompaniegebäude vor Ort ist, nicht mehr geben.“

Quelle, Luk, Bayerwaldbote

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Nach oben scrollen